Warum wir das Jetzt kaum kennen

Warum wir das Jetzt kaum kennen

Wenn wir einmal darüber nachdenken, wer wir sind, ergeben sich viele Eigenschaften, das wo und wie wir leben, mit wem wir zusammen oder getrennt sind, wo und wie wir arbeiten und obendrein werden all diese Eindrücke bewertet. Abhängig von unserer Vergangenheit empfinden wir uns als erfolgreich oder nicht, als schön oder hässlich, als jemand der Glück hat dies oder das zu haben, oder als jemanden, der Pech hat mit diesem oder jenem. Das alles sind aus der Vergangenheit bewertete Inhalte mit denen wir uns identifizieren bzw. glauben, das seien wir. Anders ausgedrückt geben wir uns mit all diese Eigenschaften, Erfahrungen und Bewertungen eine Identität.

Diese Identität ist eine Vorstellung, eine Idee, eine Sammlung deren Bestandteile Inhalt eines vom stetigen Wandel betroffenen Universums sind.

Und wir ahnen nicht, dass diese Identität nicht wir sind dass diese Idee von Wirklichkeit kompletter Betrug ist. Wenn wir kurz innehalten und in uns hineinspüren können wir den ständigen Wandel wahrnehmen. So, wie das Herz innerhalb einer Minute verschiedene Rhythmen hat, so, wie unser Atem innerhalb einer Minute verschiedene Atemfrequenzen beschreibt so veränderlich ist so ziemlich alles an und in uns.

Außer unseren Vorstellungen und Projektionen von uns, die einer wie auch immer gearteten Vorlage entsprechen und uns in einem erlebten Moment festzuhalten versuchen, als wären wir ein Abzug im Wachsfigurenkabinett.

Unser Verstand gaukelt uns vor, dass diese Identität unser Leben ist; dass das wir sind. Daher fällt es uns auch so schwer einmal in Ruhe ganz in uns selbst zu verharren. Denn dann kann es sein dass wir eine Leere spüren, einen weiten unbekannten Raum. Unser Ego der Identifikation fühlt sich bedroht und organisiert ausreichend Widerstände, um nicht weiter in Ruhe sein zu müssen. Das gesamte Ego bestehend aus vielen Egoanteilen ist lebende Energie. Es fühlt sich verständlicherweise seines Lebens bedroht, wenn wir anfangen bewusst zu sein. Denn wenn wir bewusst werden, lösen sich diese Egos nach und nach auf und das wollen sie nicht. Daher kommen auch die unzähligen Widerstände, die uns daran hindern sich intensiver mit unserem Sein zu beschäftigen. Wir verspüren Angst vor dieser Leere, vor dieser Ruhe haben Angst vielleicht verrückt zu werden oder falls wir lange meditieren nicht wieder in „diese“ Welt zu finden. Wir bemerken nicht, dass diese Welt eine Täuschung ist, die nichts mit dem was ist, und damit mit der Wirklichkeit, zu tun hat.

Warum also sollten wir unsere Identität aufgeben, wo wir doch gar nicht wissen wer wir hinter der Täuschung sind? Selbst wenn wir nicht glücklich sind, selbst wenn wir verstehen, dass es noch mehr gibt als unsere momentane Vorstellung vom Leben, wollen wir lieber in und mit unseren Egos verweilen, weil das Leiden, das damit verknüpft ist, Sicherheit vermittelt, Identität vorgaukelt.

So bleibt das Jetzt meist unbemerkt oder etwas deutlicher ausgedrückt: Das Leben lebt sich ohne unsere Anwesenheit. Und das was wir Leben nennen ist eine milliardenfache Kopie alles Vergangenen, welches sich ständig nach innen und außen neu identifiziert.

Wann ist der Zeitpunkt wo Dinge geschehen? Ausschließlich im Jetzt. Es gibt keinen anderen Augenblick. Wir denken zum Beispiel an gestern und identifizieren uns mit der Vergangenheit, welche nichts mit dem jetzt zu tun hat, lediglich die Identifizierung mit der Vergangenheit ist Jetzt, aber nicht das womit wir uns identifizieren. Und doch glauben wir, das, womit wir uns identifizieren seien wir, sei unser Leben. Wir durschauen unseren Verstand nicht, der uns lediglich eine Interpretation aus der Vergangenheit, oder der vermeintlichen Zukunft als unser Leben verkauft.